1938

Goebbels und Gina –
Schwärmereien des Reichsministers

Anekdote

Gina Falckenberg, Portrait von Nele Harland

Otto Falckenbergs Querelen mit der nationalsozialistischen Doppelspitze Weber/Wolfrum an den Kammerspielen gegen Ende der 30er Jahre gipfelte tat­sächlich in einer Reise zum Reichspro­pagandaministerium nach Berlin, ge­nauer: zum Reichsdramaturgen Rainer Schlösser. Der Auftrag kam von Josef Goebbels selbst. Ungeachtet aller Regeln und Erlaubnisse fuhr Falckenberg zuerst ein wenig wi­der­willig im Juni 1938 nach Berlin: Er hatte Wolfrum, den damaligen Ge­schäfts­führer, nicht um Erlaubnis ge­fragt und steckte gerade mitten in den Proben zur Don Gil Inszenierung, die auf dem Tag der Deutschen Kunst am 10. Juli Premiere feiern sollte.

Die Premiere wurde vom Ministerium persönlich verschoben, man führte als Grund Falckenbergs Bestellung nach Berlin (- welch Ironie!) an. Dass die Proben unterbrochen wurden, war aber durchaus notwendig. Die nationalsozialistischen Mitarbeiter der Kammerspiele drohten zu der Zeit Überhand zu nehmen und im wahrsten Sinne Falckenberg die Fäden aus der Hand zu ziehen. Bei Goebbels persönlich soll Falckenberg sich dann über die „Inkompetenz und die Feindseligkeit Wolfrums“ (Pargner: Otto Falckenberg. 2005. S.192) beschwert haben. Der wiederum ließ nach Falckenbergs Rückkehr keine Gelegenheit aus, Falckenberg auf allen möglichen Wegen an die Gurgel zu gehen. Nicht zuletzt wegen des regelmäßigen Briefwechsels mit Berlin enthielt Wolfrum dann noch im selben Jahr seine Entlassung.

Ein weiteres Kapitel, in das Josef Goebbels involviert ist, bildet Gina Falckenberg, Tochter Otto Falckenbergs: Sie debütierte an den Kammerspielen 1927, wirkte ab 1932 auch in einigen Filmen mit und schrieb Drehbücher und Romane. Ein Gemeinplatz sollte sein, dass Goebbels in die Filmwelt vernarrt war und sehr erfolgreich Propagandaarbeit durch Verfilmungen nationalsozialistischer Werte ausgeübt hat. Er schrieb im März 1937 in sein Tagebuch: „Ich fühle mich sehr glücklich in meiner Wehrburg. Ich lese ein Buch von Gina Falckenberg [...] 'Das unendliche Abenteuer', eine süße rührende Liebesgeschichte, in einem blendenden Stil geschrieben. Diese Frau kann was. Man muß sie sich merken.“ Wenig später schrieb er über einen Ritterfilm (gemeint könnte eventuell der Propagandafilm Ohm Krüger sein) „Der Ritterfilm ist nun in der Dreharbeit. Ich empfehle Demandowski Gina Falckenberg. Er soll sich ihrer etwas annehmen.“

Zu dieser Zusammenarbeit kam es jedoch nie, weil Gina bereits 1939 mit ihrem Mann und Filmregisseur Giulio del Torre und ihrer Mutter Wanda nach Italien übersiedelte. Gina Falckenberg wirkte in insgesamt 22 Filmen mit und veröffentlichte noch bis in die frühen 70er Jahre hinein Romane. Ob des Rätsels Lösung um Falckenberg nun „Goebbels und Gina“ heißt – also Goebbels Sympathien für die hübsche, junge Schauspielerin, bleibt weiterhin offen. Eine Spekulation sind solche Tagebucheinträge aber sicherlich wert.