Nachdem die Stücke von George Bernard Shaw jahrzehntelang erfolgreich in den Münchner Kammerspielen aufgeführt wurden, kam es dort in der Spielzeit 1975/76 zur letzten Inszenierung eines Textes des Nobelpreisträgers Shaw. Rudolf Noelte inszenierte Shaws Der Arzt am Scheideweg. Die Inszenierung war in München äußerst positiv bewertet und wurde zum Berliner Theatertreffen 1976 eingeladen. Doch dort fielen die Kritiken zunehmend negativ aus. Shaws Text und Charaktere waren nicht mehr zeitgemäß.
Trotzdem war die Inszenierung ein Kassenschlager gewesen. So kam es schließlich auch dazu, dass man versuchte mit der Übernahme von Noeltes Der Arzt am Scheideweg im Jahr 1979 das Hamburger Schauspielhaus zu retten, das in finanzielle Not geraten war und für den Start der Interimsspielzeit unter Günter König und Rolf Mares dringend ein Stück benötigte, bei dem die Einnahmen gesichert waren. Die Kritiker hatten Verständnis für die Lage des Hamburger Schauspielhauses, doch das Stück selbst, das zwar weitgehend umbesetzt wurde aber in der Inszenierung unverändert von München übernommen wurde, fiel inzwischen durch. So schrieb Werner Burkhardt in der SZ vom 26.09.1979:
„Schön ist das alles, erlesen und klug. Aber es hilft nichts: Die Konturen des Stückes verdämmern. Seine Bedeutsamkeit löst sich auf. Schwer fällt der Abschied von diesen fünf Akten, die übervoll sind mit Dialog-Witz und Theaterverstand, mit dramaturgischen Umschwüngen, die herausziseliert sind wie musikalische Linien und mit einem Schlußbild, das nichts anderes besagt, als daß zwei Menschen sich nichts mehr zu sagen haben. Aber es hilft alles nichts. Die Konstruktion von dem Doktor, der nicht einen einzigen Patienten mehr behandeln kann, kriegt niemand mehr über die Rampe, und der Arzt, der vier Akte lang nur von der Blutvergiftung und vom Blinddarm redet, wird zum wandelnden Kalauer.“
Shaws Der Arzt am Scheideweg ist in jeder Hinsicht veraltet. Und diesem Schicksal scheint Shaws gesamtes Werk unterworfen zu sein. Zumindest gehören Shaws Stücke heutzutage nicht mehr in den gängigen Theaterkanon und seit 1975 haben sich auch die Kammerstücke nicht mehr an ihn heran gewagt. Schade eigentlich, denn Shaws Humor ist „ausgezeichnet“.
Bernard Shaw, Von der Deutschen Sprache:
„Ich habe die feste Absicht, eines Tages Deutsch zu lernen. Das sollte jeder Mensch, aber ich bin noch nicht fünfundfünfzig und so hat es keine Eile. Wenn ich inzwischen den Besuch eines Deutschen bekomme, der nicht Englisch spricht, so finde ich als vortreffliches Auskunftsmittel, ihm mit dem Ausdruck großen Interesses zuzuhören und wenn er inne hält, um Atem zu holen, enthusiastisch auszurufen: „Ausgezeichnet!“ Ich weiß nicht genau, was „ausgezeichnet“ heißt, aber es gefällt dem Deutschen immer.“