1922 – 1923

Carola Neher –
Ein Portrait

Portrait

Carola Neher

Die Schauspielerin Carola Neher (1900-1942)
„Ich komme nächste Woche zu Ihnen nach München und werde Ihnen so gut gefallen, dass Sie mich engagieren.“ Mit dem bekannten Bühnenbildner Caspar Neher verbindet Carola Neher lediglich eine geistige Verwandtschaft; beide sind für Ihre Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht bekannt, beide waren an den Münchner Kammerspielen tätig. 2012 jährte sich der Todestag der Schauspielerin, die an den Kammerspielen den Grundstein ihrer Karriere legte, zum 70. Mal. Am 2. November 1900 wird „Katharina Karolina“ in München in eine Familie hineingeboren, in der ihr durch den Vater die Hingabe zu Kunst und Musik zwar vorgelebt werden. Dem Mädchen wird jedoch eine eigene künstlerische Ausbildung streng untersagt; statt zum Theater kommt Neher, die sich fortan Carola nennt, zunächst zur Bank und nimmt nur vereinzelt privaten Klavier- oder Schauspielunterricht. 1920 flieht sie aus dem engen familiären Umfeld nach Baden-Baden und spielt dort erste Rollen am Kurtheater. Sie fällt auf: Sie verfügt nicht nur über ein ansprechendes Äußeres, sondern weiß dieses auch geschickt auf der Bühne einzusetzen.

Einmal München und zurück: Kammerspiele 1922/23
1922 kommt sie wieder nach München, im Gepäck den festen Willen, dort engagiert zu werden. Das wird sie – zunächst für eine Hosenrolle in Frank Wedekinds Die Kaiserin von Neufundland. Neher schließt schnell Kontakte, freundet sich mit Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht an, für Karl Valentin spielt sie in einigen seiner Stummfilme. Zwar bekommt sie in München nur Stückverträge, doch sie hat sich ein Netzwerk geschaffen und ein Gesicht hinterlassen, an das man sich erinnert.

Klabund
In Nürnberg wird Neher für die Spielzeit 1923/24 als Ensemblemitglied angestellt. Der große Durchbruch wird ihr erst am Lobe-Theater in Breslau gelingen, zuvor jedoch trifft sie Dichter Klabund, der von nun an eine zentrale Rolle in ihrem Privatleben spielt: 1925 heiraten die beiden, als Klabund sich bereits im späten Stadium einer Tuberkuloseerkrankung befindet. Die Spielzeit 1925/26 in Breslau bringt größere Rollen für Neher mit sich, u.a. im Kreidekreis von Klabund oder in Cäsar und Cleopatra von George Bernard Shaw. Es folgen Aufenthalte in Berlin und schließlich in Wien, wo sie am Burgtheater wieder als Cleopatra auftritt. Publikum und Kritiker – darunter auch Alfred Polgar – loben ihr Spiel überschwänglich. Für Bertolt Brecht und Kurt Weill soll sie 1930 in Berlin die Polly in der Dreigroschenoper spielen. Doch eine Woche vor der Uraufführung sagt sie ab. Klabund ist kurz zuvor in Davos seiner Krankheit erlegen. Erst in der Wiederaufnahme des Stückes wird sie die Rolle übernehmen.

Moskau
Beruflich ist Neher nun gefragt wie nie zuvor, sie spielt u.a. in Die heilige Johanna der Schlachthöfe und den Geschichten aus dem Wienerwald einige ihrer besten Rollen. Doch mit dem sich verändernden politischen Klima in Deutschland entschließt sie sich 1933, zusammen mit ihrem zweiten Ehemann Anatol Becker, nach Moskau zu gehen. Nach Deutschland kommt sie nicht mehr zurück: Die folgenden Jahre sind geprägt von Armut und Arbeitslosigkeit, 1936 wird Becker als politischer Verräter verhaftet, ein Jahr später wird Neher zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Sie stirbt 1942 in Haft an Typhus. Es bleibt die Erinnerung an eine Schauspielerin, die Zeitgenosse Alfred Polgar so beschreibt: „Mit der Grazie und Flinkheit eines kleinen Raubtieres, temperamentvoll bis in die Fingerspitzen, blitzend von Klugheit und Humor…“